Erfahrungsberichte

Erfahrungsbericht von Kilian – Uni Hamburg

Ich habe in meine Examensvorbereitung etwas mehr als ein Jahr investiert. Ein kommerzielles Repetitorium habe ich nicht besucht. Mit einer Lerngruppe habe ich nur kurzzeitig den Examensstoff erarbeitet, d.h. in der überwiegenden Zeit der Vorbereitung habe ich mich auf eigene Faust vorbereitet. Ich hatte trotzdem immer Leute mit einem ähnlichen Vorbereitungsstadium um mich herum, um auch mal bei Gelegenheit über die ein oder Frage zu diskutieren, um das eigene Verständnis auch mal rückkoppeln zu können.

Dass ich im ersten Staatsexamen ganz ohne kommerzielles Repetitorium ausgekommen bin, stimmt allerdings nur zum Teil. Ein solches Repetitorium habe ich zwar nicht besucht. Ich habe aber diverse Unterlagen von Anbietern kommerzieller Repetitorien zum Lernen benutzt. Dazu gehören insbesondere die in den Bibliotheken in der Regel verfügbaren Skripte von AS, die ich für das Erarbeiten des Zivilrechts benutzt habe. Für alle drei Rechtsgebiete habe ich zudem mit den Rep-Unterlagen (ausschließlich Fälle) von Hemmer gelernt.

Aus diesen Unterlagen habe ich mir für mich selbst Zusammenfassungen gemacht, die ich für Wiederholungseinheiten benutzt habe. Auch auf Zusammenfassungen aus der Studienzeit vor Beginn der Examensvorbereitung habe ich zurückgegriffen. Einen detaillierten Lernplan habe ich mir nicht gemacht. Mir hat eine Übersicht über die Gegenstände des Examens gereicht, um mich vergewissern zu können, alles weitgehend abgedeckt zu haben. Ich habe mir auch notiert, welche Themenbereiche ich zu welchem Zeitpunkt wiederholt habe, um den Überblick zu behalten und keinen Themenbereich zu vernachlässigen.

In den ersten ca. 3-4 Monaten habe ich die Skripte durchgearbeitet. Anschließend begann ich mit Wiederholungen anhand der eigenen Zusammenfassungen und dem Schreiben von Übungsklausuren der Uni. Zeitgleich habe ich auch begonnen, die o.g. Hemmer-Fälle durchzuarbeiten. Insgesamt haben die Wiederholungen wohl die meiste Zeit in Anspruch genommen. Sie haben mir aber auch am meisten geholfen, die Basics zu verinnerlichen. In dieser Zeit habe ich immer mehr das Gefühl bekommen, mit den meisten mir vorgesetzten Sachverhalt jedenfalls halbwegs etwas anfangen zu können. Die Übungsklausuren habe ich bis zum Examen geschrieben – jeweils einmal die Woche, insgesamt über ca. 10 Monate. Ob auch weniger Übungsklausuren ausgereicht hätten, ist schwer zu sagen. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass heutzutage zu viele Übungsklausuren geschrieben werden. Diese kosten nun mal viel Zeit und Energie, die man auch woanders einsetzen könnte. Manche gewinnen damit aber ein Gefühl der Sicherheit; letztlich ist das aus meiner Sicht eine individuelle Frage.

Gegen ein kommerzielles Repetitorium habe ich mich entschieden, weil mich vor allem die mit den Reps verbundenen Anwesenheitszeiten abgeschreckt haben. Ich habe es als vorteilhaft empfunden, mir mein eigenes Tempo vorzugeben und die Zeit für mich effektiv zu nutzen. Mir fiel es immer leichter, mir entsprechende Skripte, Lehrbücher und andere Unterlagen in aller Ruhe durchzulesen und stichwortartig für mich zusammenzufassen, als mich über Stunden „berieseln zu lassen“. Durch den Wegfall dieser Präsenszeiten glaube ich viel Zeit beispielsweise für die o.g. Wiederholungseinheiten gewonnen zu haben.

Dadurch, dass ich nur zeitweise in einer Lerngruppe gelernt habe, bestand allerdings gelegentlich die Gefahr, mangels Rückkoppelung gar nicht damit konfrontiert zu werden, anderen den Stoff in verständlicher Weise präsentieren zu müssen. Diese Rückkoppelung hätte mir sicherlich noch geholfen, für mich selber noch besser herausfinden zu können, wie gut ich den Stoff tatsächlich schon erfasst oder noch nicht erfasst habe.

Ob ich den von mir gewählte Weg der Vorbereitung empfehlen kann, ist schwer zu sagen. Die Art und Weise der Vorbereitung hängt sicherlich sehr stark vom Lerntyp, den Vorkenntnissen und den sonstigen Stärken und Schwächen einer Person ab. Insofern dürften auch Examensergebnisse kaum Auskunft darüber geben können, ob der ein oder andere Weg der Vorbereitung vorteilhaft ist oder nicht; man hat bezogen auf eine Person ohnehin nie den „Gegentest“, ob das Examen bei einer anderen Vorbereitung anders ausgefallen wäre. Ein Vorteil von kommerziellen Reps ist schon, dass die Unterlagen in der Regel gut aufbereitet und recht aktuell sind. Die aktuelle Rechtsprechung über entsprechende Fachzeitschriften selbst zu erarbeiten, kostet Zeit und Energie. Sich in der Hinsicht auf einem aktuellen Stand zu halten, ist mE nicht ganz verkehrt. In meinem Examensdurchgang wurden (für mich etwas überraschend) überwiegend Sachverhalte geprüft, die an aktuelle Urteile angelehnt waren. Auch wenn sich die Sachverhalte auch ohne Kenntnis dieser Urteile lösen ließen, hätte es sicherlich geholfen, die Urteile gekannt zu haben. Eine Alternative sind in der Hinsichtlich die Wochenend-Crashkurse zur aktuellen Rechtsprechung, die zum Teil angeboten werden. An den Universitäten werden zum Teil ebenfalls entsprechende Kurse angeboten.

Als schwierig empfand ich immer die Entscheidung, in welcher Detailtiefe ich mir den Stoff aneignen soll. Jedes Thema lässt sich immer noch ein Stück weiter vertiefen. Während viele Juristinnen und Juristen, aber auch Professorinnen und Professoren sicherlich nicht ganz zu Unrecht das Lernen der Basics und das Systemverständnis in den Vordergrund stellen, hilft Einzelwissen in manchen Klausurkonstellationen doch erheblich. Ohnehin habe ich über die Zeit den Eindruck gewonnen, dass es über die Abgrenzung zwischen Basics und Einzelwissen eine ungeahnte Meinungsvielfalt gibt.

Insgesamt glaube ich gut damit gefahren zu sein, mich in der Tendenz eher auf Basics und die Methodik fokussiert zu haben. Mit diesem Zusammenspiel zwischen juristischen Basics, einem guten Handwerkszeug (inbs. Sprache/Formulierung/Stil/Darstellung) und den klassischen Auslegungstechniken (Methoden, Argumentationsfiguren) lassen sich – das ist jedenfalls meine Erfahrung – auch recht kompliziertere Konstellationen idR vernünftig lösen. Gute Argumente und eine in sich logische und konsequente Lösung wird nach meinem Eindruck immer honoriert; auch dann, wenn der BGH einen Fall völlig anders entschieden hat. Ich würde aber immer versuchen und empfehlen, genügend Zeit für das Einstudieren der juristischen „Basics“ einzuplanen. Einmal lesen und für sich selbst aufschreiben hätte mir jedenfalls nicht gereicht. Im „Examens-Endspurt“ ist es aus meiner Sicht nicht verkehrt, sich aktuelle Entscheidungen anzuschauen. Ganz aktuelle Sachverhalte und Urteile kommen in den schriftlichen Prüfungen naturgemäß aber nicht dran, da die JPA’s die Sachverhalte wohl schon einige Monate vor den Prüfungen konzipieren.

Ich wünsche allen, die in die Examensvorbereitung starten, viel Erfolg. Die Examenszeit ist sicherlich auch eine Leidenszeit; man lernt aber tatsächlich auch sehr viel und es gibt wirklich viele „Aha-Momente“, wenn sich endlich die Einzelteile in ein Gesamtgebilde zusammenfügen.