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Finding Love – Die richtige Lernpartnerin finden

Am Anfang der Lerngruppenzeit steht die Partner*innenwahl. Nichts ist entscheidender für eine gute Lerngruppe als ihre Mitglieder.

Wichtig ist dabei, dass sich alle Beteiligten vorher gut mit sich selbst beschäftigen und ihre eigenen Bedürfnisse, Stärken, Kapazitäten und Grenzen kennen. Gleichzeitig heißt das natürlich nicht, dass ihr Euch während der Examensvorbereitung nicht auch gemeinsam weiterentwickeln und aneinanderwachsen werdet.

Es gilt also zunächst die Frage zu beantworten, mit wie vielen Leuten ihr im Grundsatz lernen möchtet und ob ihr auch ganz faktisch geeignete Verbündete für Euer Lernkollektiv findet. Wir hatten uns schon zu Beginn für eine eher kleine Lerngruppenvariation mit drei Leuten entschieden. Schließlich waren wir aus verschiedenen Gründen allerdings nur noch zwei, die an der Idee, ohne kommerzielles Repetitorium zu lernen, festhielten. In einer Lerngruppe ist es nicht unbedingt notwendig, dass alle Beteiligten ohne Rep lernen. Wir haben es aber als bereichernd empfunden, uns von den Stressfaktoren, die ein kommerzielles Repetitorium auslösen kann, abzugrenzen.

Wir kannten uns schon länger aus der gemeinsamen Arbeit im Fachschaftsrat. Zentrales und verbindendes Element war von Beginn an, dass wir beide einen gewissen rebellischen Geist besitzen, der uns davon abhielt, kommerzielle Repetitorien ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Außerdem standen wir politisch nicht weit voneinander entfernt, was für uns Auswirkungen auf Fragen von Teamgeist, gegenseitigem Support, Kollektivität, Respekt und Toleranz hatte und ein gewisses Grundvertrauen herstellte.

Nicht jede*r kennt vielleicht schon vorher die passenden Personen, um eine Lerngruppe zu gründen. Einige Universitäten bieten Lerngruppenbörsen – quasi eine Vermittlungsagentur für die Examensvorbereitung. Vielleicht kann euer Fachschaftsrat oder ihr selbst ein Lerngruppen-Speeddating organisieren, wo alle Interessierten sich treffen und über Vorstellungen und Ideen für ihre Examensvorbereitungen sprechen.

Welche Punkte für Euch wichtig sind, kann natürlich variieren. Das gemeinsame Gespräch vor der tatsächlichen Zusammenarbeit ist jedoch entscheidend. Bevor wir inhaltlich anfingen zu lernen, trafen wir uns mehrmals, um über die Voraussetzungen für eine gemeinsame Lerngruppe und unsere Wünsche und Erwartungen aneinander zu sprechen. Wir formulierten gemeinsam, welche Priorität die Lerngruppe für uns haben soll. Wir sprachen über Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Flexibilität. Hier sind unsere Persönlichkeiten sehr divergierend und es erforderte von beiden Seiten eine sehr hohe Bereitschaft aufeinander zuzugehen und sich auf die jeweils andere einzulassen. Dies ist gerade in der Stresssituation „Examensvorbereitung“ nicht immer einfach. Schlussendlich ging es uns  aber immer darum, Gemeinsamkeiten zu finden, zusammenzuarbeiten  und in diesem Sinne haben wir uns nie als Konkurrent*innen zu verstehen.Nach einem Jahr sind wir mehr denn je zusammengewachsen und es hat sich eine außergewöhnliche Freundschaft entwickelt, die durch Zusammenhalt, Solidarität, Wärme, Vertrautheit und Geborgenheit geprägt ist. Unsere Lerngruppe war über ein Jahr lang (mit den mündlichen Prüfungen eher 18-20 Monate) zentraler Teil unseres Lebens. Insbesondere durch die Regelmäßigkeit unserer Treffen haben wir intensive Einblicke in das Leben der jeweils anderen bekommen und viele Emotionen, Prozesse und Gedanken geteilt. Hierzu zählen Erkenntnisse über Regelschmerzen (und die damit verbundene Leistungsfähigkeit) genauso wie zu entziffern, dass eine Person grad voll verknallt ist (und deshalb vielleicht Fokus fehlt) oder Liebeskummer hat (und deshalb keine klaren Gedanken fassen kann). Dies hängt natürlich unmittelbar mit der Größe unserer Lerngruppe zusammen. Eine Lerngruppe zu zweit ist sehr intensiv, aber bietet gleichzeitig sehr viel Raum individuell aufeinander einzugehen und sich in Belastungssituationen aufzufangen. Welches Konzept für Euch besser funktioniert, hängt also wieder einmal von Euren eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen ab.

Neben unserer Basis-Lerngruppe vernetzten wir uns mit anderen Lerngruppen bzw. Einzelpersonen. Gemeinsam mit zwei weiteren Frauen riefen wir eine Groß-Lerngruppe ins Leben, mit der wir uns ca. einmal im Monat zu sogenannten Crash-Kursen verabredeten (mehr dazu in dem Blogeintrag zu Lernplan) So hatten wir für uns selbst die Bestätigung, dass wir nicht völlig außerhalb des allgemeinen Erwartungshorizonts lernten und die Rückkopplung an Lernerinnen aus kommerziellen Reps. Ganz nebenbei brachte das Format ein wenig Abwechslung in die Lernroutine und war immer ein kleiner Lichtblick im Examensalltag. 

Wem gehört die Bib? Orte des Lernens

Was auf den ersten Blick als Randüberlegung erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen schnell zu einer der großen Frage der Planung und Durchführung der Examensvorbereitung: Der richtige Ort zum Lernen.

Zum einen ist nicht jedes Umfeld gleich gut für die verschiedenen Elemente der Examensvorbereitung geeignet und zum anderen sind die Ressourcen an zur Verfügung stehendem Raum schlicht begrenzt.

Für unsere Lerngruppe war uns relativ schnell klar, dass wir ein belebtes Umfeld bevorzugen, das möglichst wenig juristisch geprägt und sozialisiert ist. Obwohl die Hamburger Jurabibliothek sicherlich zu einer der modernsten auf dem Campus gehört und die Räumlichkeiten architektonisch sehr ansprechend sind, haben uns sechs Jahren Studium schließlich hinaus in die große weite Welt fernab des Rechtshaus’ getrieben. Insbesondere weil die Examensvorbereitung über ein Jahr lang einen relativ großen Teil unserer Woche einnahm, war es uns wichtig diese Zeit immerhin an einem Ort zu verbringen, der nicht nur nach Angstschweiß vieler Generationen Jurastudis und BGH-Muff roch. Unsere kleine Welt nicht nur um das juristische Examen kreisen zu lassen, sondern das Leben in seiner ganzen Vielfalt zu spüren und den eigenen juristischen Diskurs immer wieder zu verlassen, war für uns während der Examensvorbereitung einer unserer zentralen Überlebensstrategie. Dies begann für uns mit der Wahl der Orte, an denen ich mich aufhielt.

Schlussendlich gab es dann noch eine Reihe relativ pragmatischer Überlegungen. Die Erreichbarkeit des Ortes und erschwinglicher, leckerer Kaffee. Unsere Wahl viel auf ein kleines Café in St. Pauli. Durch die geringe Tischanzahl war die Atmosphäre dort im Allgemeinen relativ ruhig. Hier haben wir uns ein Jahr lang vier Tage die Woche immer um 14 Uhr getroffen. Mit der Eigentümerin verbindet uns mittlerweile ein sehr vertrautes Verhältnis und der Ort vermittelt uns eine große Geborgenheit. Einen Raum zu haben, an dem mensch sich willkommen fühlt, der Gelassenheit ausstrahlt und familiär geprägt ist, hat uns die Examensvorbereitung in vielerlei Hinsicht sehr erleichtert.

Gleichzeitig habe ich ganz bewusst verzichtet mir zu Hause einen Schreibtisch einzurichten. Hier habe ich versucht die Examensvorbereitung möglichst weitgehend auszuklammern. Da es manchmal dann aber eben doch bequemer ist, einfach mal im Schlafanzug zu bleiben und sich zu Hause einzumummeln, habe ich mir an solchen Tagen den Küchentisch erobert und mich dort eingerichtet. Zu wissen, dass spätestens zum Abend aber alle Bücher eingesammelt werden müssen damit dort wieder vernünftig gespeist werden kann, hat mir darüberhinaus geholfen, nach der Paukerei abschalten zu können und andere Themen in meinen Kopf zu lassen.

Karteikarten habe ich entweder im Bett oder beim Spazierengehen gelernt. Insbesondere während des Endspurts bin ich sehr viel Fahrrad gefahren, Kreuz und Quer durchs Viertel und habe spontan an interessanten Orten Pause gemacht und ein paar Minuten meine Karteikarten wiederholt. Für mich persönlich waren die Elemente Ortswechsel und Bewegung sehr wichtig, um meine Ungeduld und Konzentrationslosigkeit während des Lernens ein wenig zu bändigen.

Für Emily war einer der zentralen Lernorte ihr Sofa, wo sie Beiträge las und Karteikarten lernte. Während sie zwar einen großen Schreibtisch besaß, fungierte dieser die allermeiste Zeit allerdings lediglich als Ablagefläche.

Für unsere Crash-Kurs-Tage, an denen wir gemeinsam mit anderen Freundinnen in einer großen Lerngruppe Fälle zu einem bestimmten Themengebiet lösten, haben wir uns im Rotationsprinzip jeweils bei einer von uns zu Hause verabredet. Die gastgebende Person hat sich außerdem ein Rezept für das Mittagessen überlegt und die nötigen Zutaten organisiert, so dass das gemeinsame Kochen fester Bestandteil unserer Großlerngruppentage war.



Der Plan der Wahl

Bevor es mit einer Lerngruppe oder dem eigenen in der Examensvorbereitung losgehen kann, braucht es einen Plan. Auch wir haben einige Monate vor der Examensvorbereitung begonnen, uns einen Lerngruppenplan zu machen (unsere Erfahrungen könnt ihr weiter unten lesen). Der Lernplan selber kann sehr individuell sein, in der Herangehensweise lohnen sich aber ein paar allgemeine Regeln:

A. Sucht euch die Prüfungsgegenständeverordnung eures jeweiligen Justizprüfungsamtes raus und lest sie durch. Diese gibt euch einen Überblick, was tatsächlich gefordert ist. Macht euch dabei auch mit den Begriffen wie „Im Überblick“ vertraut. Es lohnt sich auch Themen wie „Das erste Buch des BGB“ noch einmal geistig aufzuteilen in Unterthemen wie Anfechtung, Minderjährige, Willenserklärungen …

B. Überlegt euch, wie viele Lerngruppentreffen ihr pro Woche abhalten wollt und plant von Beginn an Pufferzeiten, Urlaube und Wiederholungszeit am Ende mit. Findet also raus, wie viele Wochen „Lernzeit“ – also Zeit, um neue Dinge zu lernen – ihr tatsächlich habt. Aus der Anzahl der Lerntermine der Woche multipliziert mit der Anzahl der Wochen bekommt ihr dann eure Zahl von Lerneinheiten.

C. Versucht nun, die Themen von Punkt auf die Lerneinheiten zu verteilen. Wie viel Zeit man für einzelne Bereiche braucht, ist im Vornhinein natürlich schwer abzuschätzen. Folgende Orientierungen können helfen:

  • Der Jahresplan eures Unireps hat in der Regel eine Verteilung in Lerneinheiten, die für euer Bundesland passt.
  • Grundlagen (also die AT Teile) sollten in der Regel mehr Zeit in Anspruch nehmen, da eine gute Kenntnis z.B. vom Schuldrecht AT die Lernzeiten im BT sehr verkürzen kann.
  • Man kann grob die Hälfte der Einheiten für Zivilrecht verplanen, ein Drittel für Öffentliches Recht und ein Sechstel für Strafrecht. Das entspricht der Verteilung der Examensklausuren in vielen Bundesländern.
  • Ehemalige Examenskandidat*innen können mit ihren Plänen auch eine gute Quelle sein.
  • Denkt aber natürlich auch an eure eigenen Stärken und Schwächen. Für ganz neue Dinge werdet ihr mehr Zeit brauchen, als für häufig wiederholte Themenbereiche.

D. Schreibt diesen Plan auf. Eine Exceltabelle ist vermutlich am einfachsten. Habt ihn bei allen Lerneinheiten verfügbar, entweder als Papier im Gesetz oder als Datei.

Unsere eigene Erfahrung

Nun zum eigenen Erfahrungsbericht. Wir hatten ursprünglich 44 Wochen Lernen eingeplant, da wir die Winterferien sowie bereits geplante Urlaube mitgedacht haben. Somit sind wir auf 88 Lerneinheiten gekommen, die wir entsprechend verteilt haben. Vor und nach den Urlauben planten wir häufig eine Lerneinheit mehr pro Woche. Die erste Spalte hat immer die Nummer der Lerneinheit ausgedrückt, die zweite die Kalenderwoche. Das Farbschema war: Rot=Zivilrecht, Gelb=ÖffR, Blau=StrafR. Die Lerneinheiten haben wir zunächst nach Oberthemen eingeteilt, z.B. 5 Einheiten BGB AT, 4 Einheiten Grundrechte, etc. Danach haben wir die Unterthemen versucht in den Oberthemen unterzubringen. In der letzten Spalte haben wir Wiederholungseinheiten angelegt und zwar in einem dreier System. Jede Einheit sollte nach drei Einheiten zum ersten Mal wiederholt werden, nach neun Einheiten das zweite Mal und nach 27 das dritte Mal. So sollte jede Einheit mehrmals zum Thema kommen.

Für uns hat das Wiederholen gar nicht funktioniert. Schon nach wenigen Wochen haben wir das Wiederholungssystem komplett aufgegeben, was aber nicht heißt, dass dies der richtige Weg ist. Wir haben die Wiederholung als Lerngruppe schlicht weniger systematisiert gemacht und im Zweifel kritische Themen nochmal wiederholt.

Durch Krankheiten und Dinge, die dazwischen gekommen sind, sind wir relativ schnell in Verzug geraten. Deshalb haben wir schon nach wenigen Monaten entschieden, eine weitere Lerneinheit in der Woche hinzuzufügen. Ab Oktober oder November sind wir zudem dazu übergegangen, in vielen Wochen weitere Lerneinheit in der Woche zu haben, wir haben uns also auf vier gesteigert. Die vierte Lerneinheit wurde aber etwas freier gestaltet. Häufig haben wir dort die Klausuren aus dem Uni-Rep bearbeitet, um mal aus den Themenkomplexen rauszukommen und quasi „allgemeine“ Klausuren zu bearbeiten, wie es im Examen auch gefordert ist. Auch nutzten wir die weitere Lerneinheit um „Problemfelder“ von uns nochmal auf die Tagesordnung zu bringen.

Nicht zuletzt haben wir auch mehrere „Lernurlaube“ gemacht [dazu wird noch ein Beitrag folgen], die uns geholfen haben, einige Tage lang von morgens bis abends (mit Pausen!) einen Block (z.B. alle Europarechtseinheiten) abzuarbeiten. Dies hat dazu geführt, dass wir letztendlich unseren Lernplan überholt haben uns anders als im Plan nicht erst im März, sondern schon Anfang Februar mit dem Grundplan fertig waren. Das war für uns vorteilhaft, da wir dann mehr Zeit für die Wiederholung von Unsicherheiten und schwierigen Bereichen hatten.

Wir würden unsere Herangehensweise nicht jedem empfehlen. Dadurch, dass wir – bis auf einige Ausnahmen – nur zu zweit waren, waren wir sehr flexibel in der Zeitgestaltung und konnten regelmäßig modifizieren. Je größer die Lerngruppen sind, desto schwieriger wird das möglich sein. Außerdem hängt vieles davon ab, wie lang man die Lerngruppeneinheiten und die Inhalte (z.B. lange Klausuren oder viele kurze Beispielsfälle) gestaltet. Auch dort waren wir flexibel, je nach Thema waren unsere Lerngruppen 1,5 bis 3 Stunden lang, wobei wir zu Planungszwecken immer von 3 Stunden ausgegangen.

Quintessenz aus unserer Erfahrung ist jedoch, dass es sich lohnt, von vornherein einen Lernplan zu schreiben, der noch Möglichkeiten offen lässt, sich zu steigern. Erstens kann man dann bei unvorhergesehen Geschehnissen (Krankheiten, Unglücke, Wohnungssuchen etc.) in der Regel Zeit finden, um diese Einheiten nachzuholen. Zweitens kann man sich in das Lernen langsam reinfinden. Zu Beginn waren zwei wöchentliche Lerneinheiten á 2h schon echt viel, am Ende kamen uns selbst vier dreistündige Treffen gut leistbar vor. Drittens kann es sein, dass eine Überforderung am Anfang der Examensvorbereitung leicht dazu führen kann, dass man ein ganzes Jahr kein Oberwasser bekommt, sondern nur dem eigenen Plan hinterherrennt. Damit verbundene negative Gefühle hindern den freien und positiven Lernprozess, da Stress die eigene Lernfähigkeit häufig mindert.

Wir freuen uns übrigens, auf dieser Website auch andere Lernpläne zu veröffentlichen. Es gibt kein one size fits all System. Je nach Persönlichkeiten in der Lerngruppe ändern sich Bedürfnisse und Lernprozesse.