Herzlich Willkommen!

Staat-sex-amen ist ein studentisch initiiertes Projekt, das sich mit Strategien der juristischen Examensvorbereitung und Alternativen zu den kommerziellen Lernfabriken beschäftigt.

Neben einer Umfrage ist die tragende Säule des Projekts unser Blog, auf dem Ihr Erfahrungsberichte und verschiedene Perspektiven auf die Examensvorbereitung ohne kommerzielle Repetitorien lesen, aber auch veröffentlichen könnt.

Wortmeldung

Ein Gastbeitrag von Louisa Wulfken – Teil 1

Die Steinzeit hat angerufen. Sie will ihre Methoden zurück.

Ich bin 26 Jahre alt, lebe in München und ich erfülle gleich zwei für mich wichtige Voraussetzungen, die mich qualifizieren diesen großartigen Blog mit einem Beitrag zu ergänzen. Dieser erste Beitrag ist eine subjektive Sammlung von Erfahrungen und Beobachtungen mit einem Thema, das wahrscheinlich einige Leser*innen nachvollziehen können. Mir ist vollumfänglich bewusst, dass nicht jede*r sie mit mir teilen wird. Sie entsprechen aber einer Realität, die längst nicht nur einige wenige betrifft, sondern seit Jahren Inhalt medialer Debatten ist, die bisher nicht laut genug wurden, um eine Veränderung herbeizuführen. Jeder Versuch zählt und dies soll einer davon sein.

Als Grundschullehrerin könnte ich fachlich vermutlich nicht weiter von Paragraphen, Gesetzestexten und Rechtsprechung entfernt sein, wenn man die täglichen Schlichtungsversuche auf dem Pausenhof, die Erinnerungen an die Klassenregeln und das Unterschreiben „superechter Verträge“ mit Schüler*innen, die ein besonders erfolgreiches Verdrängungsvermögen mitbringen, vernachlässigt.

Nein, dieses besondere Fachgebiet ist beinahe ein kleines Stück meiner DNA, denn ich habe die große Ehre einige diese Fachvertreter*innen in meinen engsten Familien- und Freundeskreis zählen zu dürfen. Für den einen oder die andere mag das nach unterschwelliger Verächtlichkeit klingen. Tatsächlich aber ist es Respekt und an vielen Stellen auch Mitgefühl. Mit so viel Bindung zu den dicken, roten Buchrücken und prägenden Erziehungsgrundsätzen wie Fristen zu setzen, ist nämlich auch die lange Zeit bis zum erlösenden Bescheid über ein bestandenes oder gescheitertes Staatsexamen nicht an mir vorbeigegangen. Das, was für die Kandidierenden dieser Prüfungshölle zur normalen Bewährungsprobe eines*r abgebrühten Jurist*in gehört, ist für eine Pädagogin der Neuzeit eine nicht repräsentative, ineffektive und das Ziel vollkommen verfehlende Entscheidung über die juristischen Fähigkeiten eines Menschen. Ihr Ergebnis lässt nämlich kaum Aussagen darüber treffen, ob es sich bei diesen Kandidierenden um eine*n fähige*n oder unfähige*n Jurist*in handelt. Ich werde wohl beinahe jedem Juristen und jeder Juristin aus der Erinnerung sprechen, wenn ich die inakzeptablen Korrekturen der zwanzigseitigen Klausuren erwähne, die so häufig von nicht ausreichend qualifizierten Mitarbeiter*innen eines Lehrstuhls vorgenommen werden. Dass dieser Umstand leicht mit den finanziellen Ressourcen in der universitären Lehre zu begründen ist, ist für mich nur ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, dass diese Korrekturen respektlos, aussagelos und willkürlich sind. Ihr Effekt aber ist mächtig. Studierende erleben im Laufe ihres Studiums eine fortschreitende Entwürdigung, die darin mündet, dass sie sich ein Jahr und länger bis Selbstzerstörung quälen und foltern. Dabei halten viele von ihnen diesen überzogenen Wahnsinn für notwendig und angemessen. Die beliebte und gleichzeitig völlig widersinnige Gleichung: je härter und qualvoller der Weg, desto wichtiger erscheint der Erfolg, findet nur allzu oft Anwendung. Im emotionalen Kontext mag diese Gleichung stimmen. Im Sinne von Effektivität und persönlicher Weiterentwicklung ist diese Gleichung Schwachsinn. Was nämlich bleibt übrig, wenn man mit letzter Kraft aus seinen Prüfungen schleicht? Die demütigenden Nachfragen der Schlaumeier, die aus dem dringenden Bedürfnis herrühren, endlich ein Stück Anerkennung aus vermeintlich Gleichgesinnten herauszuquetschen? Über soziale Kompetenzen möchte ich an diese Stelle nicht sprechen. Vermutlich kann sich ein gesunder Menschenverstand herleiten, ob diese in einem Beruf nötig sind, in dem es um Kontakt mit Menschen geht.

Oder bleibt am Ende ein halbes Jahr Erholungsurlaub bei den Eltern, die mit Mühe und Not das verlorene Gewicht, die leeren Blicke oder die Panikattacken wieder in einen lebenswerten Alltag umzuwandeln versuchen. Bleibt am Ende ein Bescheid, der auszahlt, was man investiert hat oder würde man für die Erträge wohl jeden Bankberater auf den Mond schießen? Am Ende bleibt der Brief, der Bescheid oder das Urteil, wie auch immer man es nennen möchte. Es bleiben ein paar Prüfungen, die man unter absurden Umständen innerhalb weniger Tage absolvieren musste und die in einer kleinen Zahl zusammengefasst werden. Sie schmettert in tragischer Art und Weise meist mehr als ein Jahr Arbeit zu einem kleinen Haufen Asche zusammen. Oder sie hebt einen auf die Wolke der Auserwählten. Die Wolke derer, die vielleicht mehr gelernt haben, die besonders nervenstark waren, die besondere Unterstützung hatten, denen die Art des Lernens, die im Jurastudium üblich ist, besser lag oder derer, die einfach nur Glück hatten. Alle aber sitzen auf der gleichen Wolke und schauen auf die hinab, die gescheitert sind. Die einen Teil ihrer Lebenszeit auf diese lächerlichen paar Tage aufgewendet haben, um jetzt ins tiefe Tal der echten Welt zurückzustürzen. Und weil man sich vorher so gerne der Gleichung mit der eigenen Wichtigkeit bedient hat, ist der Sturz in die eigene Unwichtigkeit besonders hart. Dieses Ergebnis bedient sich einzig und allein der Tatsache, in diesen Prüfungstagen vielleicht krank gewesen zu sein oder zu nervös, den richtigen Faden in fünf Stunden nicht gefunden zu haben oder vom Lernen bis zur letzten Minute viel zu müde gewesen zu sein. Warum? Weil ein echter Jurist, eine echte Juristin nicht müde sein darf, nicht erschöpft, nicht krank und schon gar nicht nervös. Ein echter Übermensch sozusagen.

Mit den am wenigsten angemessenen Methoden und Werkzeugen sich über einen sehr langen Zeitraum kognitiv und körperlich zu malträtieren, ohne eine Gewissheit über den Nutzen dieses Aufwandes zu haben, kommt einem Hindernislauf durch ein Scherbenfeld gleich, bei dem das Ziel nur für einige Glückspilze ein erholsames Fußbad bietet. Alle anderen laufen barfuß den ganzen Weg zurück, keine Etappe, keine Entwicklung. „Gehen Sie zurück auf Los“, heißt es dann. Wie bei einem bekannten Spiel, nur eben im echten Leben. Ohne eine Spielfeld, das man wütend zusammenklappen und sicher wieder in der Schachtel verstauen kann.

Nun soll das Unverständnis über diese Zustände aber nicht denen gelten, die sich gerade mit nackten Füßen im Sumpf des Unbekannten befinden. Nein, sie gilt einem System, das nicht geändert wird. Das nicht geändert wird, weil die, die es erfolgreich durchlaufen haben, es nicht ändern wollen. Weil etwas, das schon immer so war, nicht geändert werden muss. Weil die privilegierte Glückspilze da ja schließlich auch durch mussten. Und dazu bietet es schließlich einen Kontrast zu denen, für die Last zu schwer, der Weg zu lange und die Scherben zu scharf waren. Ein Kontrast, der dem eigenen Selbstbewusstsein gut tut. Eine menschliche Art zu denken, aber eben auch ineffizient und wenig fortschrittlich. Und die Geschichte bestätigt all jene, die diese Prüfungsform als sinnvoll erachten, weil jedes Jahr wieder tausende Studierende ihren Weg ins Jurastudium wagen. Nun mag die eine oder der andere nach dem Ansatz Charles Darwins argumentieren, frei nach dem Motto: der Stärkere überlebt. Oder man überspannt den Bogen, zieht den Vergleich zur ewigen harten Lebensprüfung, die auch nicht einfach verändert werden kann. Für mich sind das alles Ausreden, ein Arbeiten abseits jeder wissenschaftlichen Erkenntnis, die schon seit einigen Jahren in der Ausbildung junger Lehrkräfte Anwendung finden. Mit gutem Grund. Nicht, weil wir Sechsjährige vor uns haben, deren kindliche Seele es zu schonen gilt. Am Ende sind es eben Menschen. Menschen, die durch die Erfahrungen, Strategien und Methodenvielfalt der heutigen Zeit ihren eigenen Weg in die Bildung ihres Lebens suchen. Eine Bildung, die motiviert weiter zu lernen, die eine persönliche Bereicherung ist, eine Ergänzung zur Persönlichkeit und irgendwann eine Berufung wird, die ist nachhaltig. Eine solche Bildung schafft es, das eigene Ego zu vergessen und andere an der Freude zum Wissen teilhaben zu lassen. Mit dieser Bildung sitzt man nicht privilegiert vom Glück allein auf einer Wolke, sondern weiß, dass sie nur ihren Wert behält, wenn man sie weitergibt.

In meinem inneren Ohr höre ich bereits verächtliche Stimmen, die mir meine verweichlichte Grundschullehrerinnenmeinung in einer dramatischen Gegenrede vor meine Füße werfen wollen. Von mir aus. Am Ende kommt es nicht auf meine Meinung an, sondern auf Ergebnisse, die lange erforscht und ausreichend gesichert sind. Und eben diese Ergebnisse möchte ich hier nächsten Monat vorstellen.

Finding Love – die richtige Lernpartnerin finden

Am Anfang der Lerngruppenzeit steht die Partner*innenwahl. Nichts ist entscheidender für eine gute Lerngruppe als ihre Mitglieder.

Wichtig ist dabei, dass sich alle Beteiligten vorher gut mit sich selbst beschäftigen und ihre eigenen Bedürfnisse, Stärken, Kapazitäten und Grenzen kennen. Gleichzeitig heißt das natürlich nicht, dass ihr Euch während der Examensvorbereitung nicht auch gemeinsam weiterentwickeln und aneinanderwachsen werdet.

Es gilt also zunächst die Frage zu beantworten, mit wie vielen Leuten ihr im Grundsatz lernen möchtet und ob ihr auch ganz faktisch geeignete Verbündete für Euer Lernkollektiv findet. Wir hatten uns schon zu Beginn für eine eher kleine Lerngruppenvariation mit drei Leuten entschieden. Schließlich waren wir aus verschiedenen Gründen allerdings nur noch zwei, die an der Idee, ohne kommerzielles Repetitorium zu lernen, festhielten. In einer Lerngruppe ist es nicht unbedingt notwendig, dass alle Beteiligten ohne Rep lernen. Wir haben es aber als bereichernd empfunden, uns von den Stressfaktoren, die ein kommerzielles Repetitorium auslösen kann, abzugrenzen.

Wir kannten uns schon länger aus der gemeinsamen Arbeit im Fachschaftsrat. Zentrales und verbindendes Element war von Beginn an, dass wir beide einen gewissen rebellischen Geist besitzen, der uns davon abhielt, kommerzielle Repetitorien ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Außerdem standen wir politisch nicht weit voneinander entfernt, was für uns Auswirkungen auf Fragen von Teamgeist, gegenseitigem Support, Kollektivität, Respekt und Toleranz hatte und ein gewisses Grundvertrauen herstellte.

Nicht jede*r kennt vielleicht schon vorher die passenden Personen, um eine Lerngruppe zu gründen. Einige Universitäten bieten Lerngruppenbörsen – quasi eine Vermittlungsagentur für die Examensvorbereitung. Vielleicht kann euer Fachschaftsrat oder ihr selbst ein Lerngruppen-Speeddating organisieren, wo alle Interessierten sich treffen und über Vorstellungen und Ideen für ihre Examensvorbereitungen sprechen.

Welche Punkte für Euch wichtig sind, kann natürlich variieren. Das gemeinsame Gespräch vor der tatsächlichen Zusammenarbeit ist jedoch entscheidend. Bevor wir inhaltlich anfingen zu lernen, trafen wir uns mehrmals, um über die Voraussetzungen für eine gemeinsame Lerngruppe und unsere Wünsche und Erwartungen aneinander zu sprechen. Wir formulierten gemeinsam, welche Priorität die Lerngruppe für uns haben soll. Wir sprachen über Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Flexibilität. Hier sind unsere Persönlichkeiten sehr divergierend und es erforderte von beiden Seiten eine sehr hohe Bereitschaft aufeinander zuzugehen und sich auf die jeweils andere einzulassen. Dies ist gerade in der Stresssituation „Examensvorbereitung“ nicht immer einfach. Schlussendlich ging es uns  aber immer darum, Gemeinsamkeiten zu finden, zusammenzuarbeiten  und in diesem Sinne haben wir uns nie als Konkurrent*innen zu verstehen.Nach einem Jahr sind wir mehr denn je zusammengewachsen und es hat sich eine außergewöhnliche Freundschaft entwickelt, die durch Zusammenhalt, Solidarität, Wärme, Vertrautheit und Geborgenheit geprägt ist. Unsere Lerngruppe war über ein Jahr lang (mit den mündlichen Prüfungen eher 18-20 Monate) zentraler Teil unseres Lebens. Insbesondere durch die Regelmäßigkeit unserer Treffen haben wir intensive Einblicke in das Leben der jeweils anderen bekommen und viele Emotionen, Prozesse und Gedanken geteilt. Hierzu zählen Erkenntnisse über Regelschmerzen (und die damit verbundene Leistungsfähigkeit) genauso wie zu entziffern, dass eine Person grad voll verknallt ist (und deshalb vielleicht Fokus fehlt) oder Liebeskummer hat (und deshalb keine klaren Gedanken fassen kann). Dies hängt natürlich unmittelbar mit der Größe unserer Lerngruppe zusammen. Eine Lerngruppe zu zweit ist sehr intensiv, aber bietet gleichzeitig sehr viel Raum individuell aufeinander einzugehen und sich in Belastungssituationen aufzufangen. Welches Konzept für Euch besser funktioniert, hängt also wieder einmal von Euren eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen ab.

Neben unserer Basis-Lerngruppe vernetzten wir uns mit anderen Lerngruppen bzw. Einzelpersonen. Gemeinsam mit zwei weiteren Frauen riefen wir eine Groß-Lerngruppe ins Leben, mit der wir uns ca. einmal im Monat zu sogenannten Crash-Kursen verabredeten (mehr dazu in dem Blogeintrag zu Lernplan) So hatten wir für uns selbst die Bestätigung, dass wir nicht völlig außerhalb des allgemeinen Erwartungshorizonts lernten und die Rückkopplung an Lernerinnen aus kommerziellen Reps. Ganz nebenbei brachte das Format ein wenig Abwechslung in die Lernroutine und war immer ein kleiner Lichtblick im Examensalltag. 

Wem gehört die Bib? Orte des Lernens

Was auf den ersten Blick als Randüberlegung erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen schnell zu einer der großen Frage der Planung und Durchführung der Examensvorbereitung: Der richtige Ort zum Lernen.

Zum einen ist nicht jedes Umfeld gleich gut für die verschiedenen Elemente der Examensvorbereitung geeignet und zum anderen sind die Ressourcen an zur Verfügung stehendem Raum schlicht begrenzt.

Für unsere Lerngruppe war uns relativ schnell klar, dass wir ein belebtes Umfeld bevorzugen, das möglichst wenig juristisch geprägt und sozialisiert ist. Obwohl die Hamburger Jurabibliothek sicherlich zu einer der modernsten auf dem Campus gehört und die Räumlichkeiten architektonisch sehr ansprechend sind, haben uns sechs Jahren Studium schließlich hinaus in die große weite Welt fernab des Rechtshaus’ getrieben. Insbesondere weil die Examensvorbereitung über ein Jahr lang einen relativ großen Teil unserer Woche einnahm, war es uns wichtig diese Zeit immerhin an einem Ort zu verbringen, der nicht nur nach Angstschweiß vieler Generationen Jurastudis und BGH-Muff roch. Unsere kleine Welt nicht nur um das juristische Examen kreisen zu lassen, sondern das Leben in seiner ganzen Vielfalt zu spüren und den eigenen juristischen Diskurs immer wieder zu verlassen, war für uns während der Examensvorbereitung einer unserer zentralen Überlebensstrategie. Dies begann für uns mit der Wahl der Orte, an denen wir uns aufhielten.

Schlussendlich gab es dann noch eine Reihe relativ pragmatischer Überlegungen. Die Erreichbarkeit des Ortes und erschwinglicher, leckerer Kaffee. Unsere Wahl viel auf ein kleines Café in St. Pauli. Durch die geringe Tischanzahl war die Atmosphäre dort im Allgemeinen relativ ruhig. Hier haben wir uns ein Jahr lang vier Tage die Woche immer um 14 Uhr getroffen. Mit der Eigentümerin verbindet uns mittlerweile ein sehr vertrautes Verhältnis und der Ort vermittelt uns eine große Geborgenheit. Einen Raum zu haben, an dem mensch sich willkommen fühlt, der Gelassenheit ausstrahlt und familiär geprägt ist, hat uns die Examensvorbereitung in vielerlei Hinsicht sehr erleichtert.

Eine von uns hat bewusst verzichtet zu Hause einen Schreibtisch einzurichten. Hier hat sie versucht die Examensvorbereitung möglichst weitgehend auszuklammern. Da es manchmal dann aber eben doch bequemer ist, einfach mal im Schlafanzug zu bleiben und sich zu Hause einzumummeln, hat sie sich an solchen Tagen den Küchentisch erobert und sich dann eben dort eingerichtet. Zu wissen, dass spätestens zum Abend aber alle Bücher eingesammelt werden müssen damit dort wieder vernünftig gespeist werden kann, hat ihr darüberhinaus geholfen, nach der Paukerei abschalten zu können und andere Themen in den Kopf zu lassen.

Karteikarten hat sie entweder im Bett oder beim Spazierengehen gelernt. Insbesondere während des Endspurts ist sie viel Fahrrad gefahren, Kreuz und Quer durchs Viertel und hat spontan an interessanten Orten Pause gemacht und ein paar Minuten Karteikarten wiederholt. Die Elemente Ortswechsel und Bewegung waren wichtig, um Ungeduld und Konzentrationslosigkeit während des Lernens ein wenig zu bändigen.

Für die andere von uns war einer der zentralen Lernorte ihr Sofa, wo sie Beiträge las und Karteikarten lernte. Während sie zwar einen großen Schreibtisch besaß, taugte dieser die allermeiste Zeit allerdings lediglich als Ablagefläche.

Für unsere Crash-Kurs-Tage, an denen wir gemeinsam mit anderen Freundinnen in einer großen Lerngruppe Fälle zu einem bestimmten Themengebiet lösten, verabredeten wir uns im Rotationsprinzip jeweils bei einer von uns zu Hause. Die gastgebende Person hat sich außerdem ein Rezept für das Mittagessen überlegt und die nötigen Zutaten organisiert, so dass das gemeinsame Kochen fester Bestandteil unserer Großlerngruppentage war.

Der Plan der Wahl

Bevor es mit einer Lerngruppe oder dem eigenen in der Examensvorbereitung losgehen kann, braucht es einen Plan. Auch wir haben einige Monate vor der Examensvorbereitung begonnen, uns einen Lerngruppenplan zu machen (unsere Erfahrungen könnt ihr weiter unten lesen). Der Lernplan selber kann sehr individuell sein, in der Herangehensweise lohnen sich aber ein paar allgemeine Regeln:

A. Sucht euch die Prüfungsgegenständeverordnung eures jeweiligen Justizprüfungsamtes raus und lest sie durch. Diese gibt euch einen Überblick, was tatsächlich gefordert ist. Macht euch dabei auch mit den Begriffen wie „Im Überblick“ vertraut. Es lohnt sich auch Themen wie „Das erste Buch des BGB“ noch einmal geistig aufzuteilen in Unterthemen wie Anfechtung, Minderjährige, Willenserklärungen …

B. Überlegt euch, wie viele Lerngruppentreffen ihr pro Woche abhalten wollt und plant von Beginn an Pufferzeiten, Urlaube und Wiederholungszeit am Ende mit. Findet also raus, wie viele Wochen „Lernzeit“ – also Zeit, um neue Dinge zu lernen – ihr tatsächlich habt. Aus der Anzahl der Lerntermine der Woche multipliziert mit der Anzahl der Wochen bekommt ihr dann eure Zahl von Lerneinheiten.

C. Versucht nun, die Themen von Punkt auf die Lerneinheiten zu verteilen. Wie viel Zeit man für einzelne Bereiche braucht, ist im Vornhinein natürlich schwer abzuschätzen. Folgende Orientierungen können helfen:

  • Der Jahresplan eures Unireps hat in der Regel eine Verteilung in Lerneinheiten, die für euer Bundesland passt.
  • Grundlagen (also die AT Teile) sollten in der Regel mehr Zeit in Anspruch nehmen, da eine gute Kenntnis z.B. vom Schuldrecht AT die Lernzeiten im BT sehr verkürzen kann.
  • Man kann grob die Hälfte der Einheiten für Zivilrecht verplanen, ein Drittel für Öffentliches Recht und ein Sechstel für Strafrecht. Das entspricht der Verteilung der Examensklausuren in vielen Bundesländern.
  • Ehemalige Examenskandidat*innen können mit ihren Plänen auch eine gute Quelle sein.
  • Denkt aber natürlich auch an eure eigenen Stärken und Schwächen. Für ganz neue Dinge werdet ihr mehr Zeit brauchen, als für häufig wiederholte Themenbereiche.

D. Schreibt diesen Plan auf. Eine Exceltabelle ist vermutlich am einfachsten. Habt ihn bei allen Lerneinheiten verfügbar, entweder als Papier im Gesetz oder als Datei.

Unsere eigene Erfahrung

Nun zum eigenen Erfahrungsbericht. Wir hatten ursprünglich 44 Wochen Lernen eingeplant, da wir die Winterferien sowie bereits geplante Urlaube mitgedacht haben. Somit sind wir auf 88 Lerneinheiten gekommen, die wir entsprechend verteilt haben. Vor und nach den Urlauben planten wir häufig eine Lerneinheit mehr pro Woche. Die erste Spalte hat immer die Nummer der Lerneinheit ausgedrückt, die zweite die Kalenderwoche. Das Farbschema war: Rot=Zivilrecht, Gelb=ÖffR, Blau=StrafR. Die Lerneinheiten haben wir zunächst nach Oberthemen eingeteilt, z.B. 5 Einheiten BGB AT, 4 Einheiten Grundrechte, etc. Danach haben wir die Unterthemen versucht in den Oberthemen unterzubringen. In der letzten Spalte haben wir Wiederholungseinheiten angelegt und zwar in einem dreier System. Jede Einheit sollte nach drei Einheiten zum ersten Mal wiederholt werden, nach neun Einheiten das zweite Mal und nach 27 das dritte Mal. So sollte jede Einheit mehrmals zum Thema kommen.

Für uns hat das Wiederholen gar nicht funktioniert. Schon nach wenigen Wochen haben wir das Wiederholungssystem komplett aufgegeben, was aber nicht heißt, dass dies der richtige Weg ist. Wir haben die Wiederholung als Lerngruppe schlicht weniger systematisiert gemacht und im Zweifel kritische Themen nochmal wiederholt.

Durch Krankheiten und Dinge, die dazwischen gekommen sind, sind wir relativ schnell in Verzug geraten. Deshalb haben wir schon nach wenigen Monaten entschieden, eine weitere Lerneinheit in der Woche hinzuzufügen. Ab Oktober oder November sind wir zudem dazu übergegangen, in vielen Wochen weitere Lerneinheit in der Woche zu haben, wir haben uns also auf vier gesteigert. Die vierte Lerneinheit wurde aber etwas freier gestaltet. Häufig haben wir dort die Klausuren aus dem Uni-Rep bearbeitet, um mal aus den Themenkomplexen rauszukommen und quasi „allgemeine“ Klausuren zu bearbeiten, wie es im Examen auch gefordert ist. Auch nutzten wir die weitere Lerneinheit um „Problemfelder“ von uns nochmal auf die Tagesordnung zu bringen.

Nicht zuletzt haben wir auch mehrere „Lernurlaube“ gemacht [dazu wird noch ein Beitrag folgen], die uns geholfen haben, einige Tage lang von morgens bis abends (mit Pausen!) einen Block (z.B. alle Europarechtseinheiten) abzuarbeiten. Dies hat dazu geführt, dass wir letztendlich unseren Lernplan überholt haben uns anders als im Plan nicht erst im März, sondern schon Anfang Februar mit dem Grundplan fertig waren. Das war für uns vorteilhaft, da wir dann mehr Zeit für die Wiederholung von Unsicherheiten und schwierigen Bereichen hatten.

Wir würden unsere Herangehensweise nicht jedem empfehlen. Dadurch, dass wir – bis auf einige Ausnahmen – nur zu zweit waren, waren wir sehr flexibel in der Zeitgestaltung und konnten regelmäßig modifizieren. Je größer die Lerngruppen sind, desto schwieriger wird das möglich sein. Außerdem hängt vieles davon ab, wie lang man die Lerngruppeneinheiten und die Inhalte (z.B. lange Klausuren oder viele kurze Beispielsfälle) gestaltet. Auch dort waren wir flexibel, je nach Thema waren unsere Lerngruppen 1,5 bis 3 Stunden lang, wobei wir zu Planungszwecken immer von 3 Stunden ausgegangen.

Quintessenz aus unserer Erfahrung ist jedoch, dass es sich lohnt, von vornherein einen Lernplan zu schreiben, der noch Möglichkeiten offen lässt, sich zu steigern. Erstens kann man dann bei unvorhergesehen Geschehnissen (Krankheiten, Unglücke, Wohnungssuchen etc.) in der Regel Zeit finden, um diese Einheiten nachzuholen. Zweitens kann man sich in das Lernen langsam reinfinden. Zu Beginn waren zwei wöchentliche Lerneinheiten á 2h schon echt viel, am Ende kamen uns selbst vier dreistündige Treffen gut leistbar vor. Drittens kann es sein, dass eine Überforderung am Anfang der Examensvorbereitung leicht dazu führen kann, dass man ein ganzes Jahr kein Oberwasser bekommt, sondern nur dem eigenen Plan hinterherrennt. Damit verbundene negative Gefühle hindern den freien und positiven Lernprozess, da Stress die eigene Lernfähigkeit häufig mindert.

Wir freuen uns übrigens, auf dieser Website auch andere Lernpläne zu veröffentlichen. Es gibt kein one size fits all System. Je nach Persönlichkeiten in der Lerngruppe ändern sich Bedürfnisse und Lernprozesse.